Eine Bestellung für die wunderbarste Großmutter der Welt von ihrer Enkelin. Anlass war ihr 70. Geburtstag:
Eine rot-gelbe Sonne stand bereits tief am Horizont – bald würde der Feuerball hinter den Bergen untergegangen sein und die Welt der aufkommenden Dämmerung überlassen haben. Ein letzter Lichtstrahl erreichte Marys freundliches Gesicht. Das Mädchen hatte es sich auf einer Holzbank, die im Garten ihres Elternhauses stand, gemütlich gemacht und blickte nachdenklich in die Ferne. Unweit des Gartens verlief ein Weg, der zu einer kleinen Ansiedlung führte, in der Marys Großmutter wohnte. Dahinter lagen – verstreut zwischen einer abwechslungsreichen, hügeligen Landschaft – vereinzelte Felder, Wiesen, Haiden und kleinere Wäldchen. Es war Hochsommer, das Getreide stand in voller Blüte, die goldenen Ähren schaukelten sanft im Wind, als würden sie der Sonne danken, dass alles rings um sie so wunderschön war.
„Großmutter hat bald ihren 70. Geburtstag“, dachte Mary an diesem Abend etwas ungeduldig, „und an diesem Feiertag, da sollte diese Welt eigentlich stillstehen, denn eine bessere Großmutter hat diese Welt seit allen Zeiten bis zum heutigen Tage noch nicht gesehen!“ Mary liebte ihre Großmutter so sehr, dass sie bereits an diesem Tag im Sommer beschloss die Planungen für eine Geburtstagsfeier zu beginnen, auch wenn der eigentliche Geburtstag erst kurz vor der Wintersonnenwende im Dezember zu erwarten war. „Anderen etwas Gutes tun, lässt unser eigenes Herz vor Freude jubilieren“, erinnerte sich Mary an einen von Großmutters‘ Lieblingssprüchen. Genau hier und jetzt sollten die Planungen für Großmutters‘ Fest beginnen!
„Äh, entschuldigen Sie!“, wandte sich Mary an einen älteren Herrn, der sich in einem der Nachbarsgärten um den Rasen kümmerte, „sie kennen doch meine wunderbare Großmutter. Wenn wir annehmen, dass es ein richtig tolles Fest zu ihrem Geburtstag geben sollte, was denken Sie sollten wir Großmutter dann schenken?“
Der alte Herr hob seinen Kopf und blickte Mary überrascht mit seinen dunklen Augen an. Schließlich nahm er seinen runden Sonnenhut ab, wischte sich den Arbeitsschweiß von der Stirn und drehte den Hut nachdenklich in seinen alten, leicht zittrigen Händen hin und her. „Das wäre schwierig, denn deine Großmutter ist einfach, einfach ein wundervoller Mensch!“ Und nachdem er noch ein wenig nachgedacht hatte, sagte er: „Um sie gebührend zu feiern, da müssten wohl alle Elfen dieser Welt aus den bunten Blütenkelchen schlüpfen, um mit ihrem Tanz den großen Blumenzauber zu Großmutters‘ Ehren wirken. Es müssten die Riesen aus den Bergen herabsteigen und ihr den größten jemals gebackenen Kuchen zu Füßen legen. Ein Magier sollte einen bunt leuchtenden Regenbogen erschaffen, um Großmutter an den Ursprungsort aller Farben und zu dem funkelnden Goldschatz zu geleiten!“ Der Mann blickte in die Ferne und dachte kurz nach. „Schade, dass man solche magiebegabten Wesen nur so schwer erreichen kann!“, murmelte er dann, während er sich zum Rasen hinab beugte und in einer Mulde einzelne Blütensamen verteilte. Im nächsten Jahr würden hier wundervolle Blumen wachsen.
Danach besuchte Mary viele weitere Freunde und Familienmitglieder, um sie über ihre Großmutter zu befragen. „Großmutter ist einfach unglaublich!“, war eine der vielen Antworten, die sie erhielt. „Großmutter war und wird für immer die beste Großmutter der Welt bleiben – sie war immer für uns da, was immer auch passierte, sie brachte Ruhe und Ausgleich in die Familie und – das muss gesagt sein – es war nicht immer ganz einfach in unserer Familie!“ Auf die Frage, was auf einem Fest zu Großmutters Ehren geschehen sollte, antwortete eine ihrer Enkelinnen aufgeregt: „Wir sollten zauberhafte Hexen einladen, die für Großmutter um das Feuer tanzen und ihr gemeinsam mit den Engeln des Lichtes Glück und Gesundheit wünschen!“
Mary setzte ab diesem Zeitpunkt die Welt in Bewegung, schickte Brieftauben und Laufmäuse mit der Nachricht über Großmutters Geburtstagsfest in die entferntesten Winkel der Anderswelt, alte Bekannte und Verwandte wurden eingeladen, viele kamen persönlich, manche schickten Grüße und Glückwünsche, die am Abend des Geburtstags vorgelesen würden. Mary verbrachte Wochen der Vorbereitung, eine lange Tafel wurde an Großmutters Lieblingsort aufgebaut, Sonne und Mond wurden angehalten, für den Festtag nur ihr allerschönstes Licht zu senden. Am Geburtstag tauchten schließlich tatsächlich Riesen und Zwerge, Blütenelfen und Hexen mit Geschenken auf, die kein Mensch dieser Welt hätte je kaufen können.
Großmutters‘ Augen füllten sich mehrmals während der Feier mit gesegneten Glückstränen, so reich beschenkt war sie in ihrem ganzen Leben noch nie geworden. Als alle Glückwünsche vorgelesen, alle Geschenke an Großmutter übergeben waren, mussten die mannshohen Kuchen und Torten der Riesen zur Seite geschoben werden, damit Großmutter zwischen den Geschenken zu sehen war. Sie stand auf, blickte in Richtung ihrer Kinder und Enkelkinder und obwohl sie auch ein klein wenig schüchtern war, sagte sie: „Was ihr mir mit dieser Feier geschenkt habt, ist das größte Geschenk, das man einem Menschen machen kann, … Denn ihr habt mir Liebe geschenkt, indem ihr mein Herz gelesen habt!“ Das Fest würde in dieser Nacht noch lange andauern…
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