Blechdosenkonzert auf einem Dreieckstischchen

In einer schmutzigen Ecke einer kleinen Bar stand ein unscheinbarer, alter Dreieckstisch. „So ist gesichert, dass man nicht allein sein Bier trinken muss, wenn man einsam ist!“, meinte dieser Tisch im Stillen und war mit seiner selbst sehr zufrieden. „An jeder Seite von mir kann jemand sitzen, sind also erstmals drei Personen, wenn dann noch Sessel an die Enden meiner dünnen, spitzen Ecken geschoben werden, dann sind es sechs Menschen, die sich näherkommen, allein dadurch, dass ich hier bin. Das ist schön!“ 

Der Tisch leuchtete matt in einer ausgebleichten, hellschwarzen Farbe. Auf der Oberfläche des Tisches waren Myriaden winzig kleiner, weißer Punkte verteilt. „Es ist, als würde es schneien, es ist, als würden sich Lichtflöckchen selbstständig gemacht haben, um die Liebe zu entdecken, es scheint, als wären alle weißen Farbkleckse von zu Hause ausgerissen, um eine Party zu feiern und wohin ausgerissen? – natürlich zu mir!“ Der Tisch war sehr zufrieden mit sich. 

Ein Aufkleber mit den geheimen Worten „Thank You!“ war an einer der zulaufenden Spitzen des Tischchens geklebt. Jeden Tag überlegte sich das Tischchen, was diese Worte in seinem Fall wohl zu bedeuten hätten. „Heißt das, das ich mich bei den anderen bedanke, dass sie sich zu mir gesetzt haben, oder heißt das, „Danke Tisch, dass es dich gibt“, eben weil es bei mir so gemütlich und kuschelig zugeht? Ich hoffe auf zweiteres, aber ich bin nicht sicher!“ Der Tisch starrte dann immer ein wenig ins Leere, denn in der Leere entdeckte er ab und an seltsame Dinge. So lenkte er sich gut ab und musste die Frage nicht beantworten. Manche Fragen sind nicht zu beantworten, auch wenn man noch so oft darüber nachdachte, das wusste der Tisch und es tröstete ihn ein wenig. So ist es besser, ins Leere zu starren. 

An diesem Abend blieb das Tischchen allein, die Bar war geschlossen. „Von wegen, zwei, drei oder sechs Menschen die es sich rund um gemütlich machen, keiner kommt, keiner bewundert meine Stabilität und meine Gastfreundschaft!“ An solchen Abenden war der Tisch traurig, seiner Daseins Berechtigung wurde nicht entsprochen. Weißt du, was dein Wohnzimmertisch denkt, wenn du mal wieder nicht zu Hause bist? 

Was das Tischchen nicht wusste – Jack Daniels, eine etwas achtlos weggeworfene Dose, übergeblieben nach der letzten Partynacht, hatte ein Auge auf das Dreieckstischchen geworfen.  „Endlich genug Platz zum Üben für uns!“, murmelte Jack, die Luft war rein, keine Party im Anmarsch. „Freunde, kommt heraus, die Bar ist geschlossen, niemand wird sich an unserem Gesang stören!“ 

Wärest du in dem Raum gewesen, dann hättest du eine Freude gehabt! Es knirschte, schepperte, blechte in allen Ecken, Blechbüchsen sprangen aus alten Kisten, Blechbüchsen öffneten die Deckel der Mülleimer, Blechbüchsen sprangen von der Schank in die Freiheit und sie alle, sie alle bewegten sich in Richtung des weiß gepunkteten Dreieckstischchens. Das Tischchen konnte es nicht glauben – sie alle, sie alle wollten ausschließlich zu ihm, mindestens 20 Büchsen und laufend wurden es mehr! 

„Was für eine schöne Schrift an deiner Seite!“, machte eine rote, schlecht aufgerissene Cola Dose einer silbernen Dosendame ein Kompliment. „Champagner, perlend!“, stand prominent auf ihrem Körper geschrieben. Die schmale Dame ignorierte die Bemerkung einfach, Cola Dosen waren ihr einfach seit jeher unsympathisch gewesen. „Einfach Prolo!“, dachte sie. 

„Ich habe noch nie so viele schillernde, wunderschöne Blechbüchsendamen gesehen!“, schepperte die große Heineken Dose voller Hoffnung auf Körperkontakt. Heineken stellte sich großflächig unter das Tischchen und half den anderen Dosen über ihre Schultern den Tisch zu erreichen. Bald standen viele Dosen eng aneinandergereiht auf dem Tischchen, irgendwann war zur Freude des Dreieckstischchens dessen Fläche voll geworden. Andere Dosen versammelten sich einfach unter dem Tischchen – ein Chorkonzert der Blechdosen, das wollte sich keine Blechbüchse dieser Welt entgehen lassen! 

Es wurde ruhig im Raum, einmal noch ruhig, alle, wahrlich alle, blickten zu Jack Daniel, es kam ihm zu, den Takt anzugeben, er war es, der den Chor ins Leben gerufen hatte, nun galt es, das Leben wollte es so, nun galt es, es galt zu singen! 

Wäret ihr doch da gewesen, ihr hättet ein Erlebnis der anderen Art gehabt, ihr hättet, ihr hättet erkannt, dass Musik, dass die Musik der Blechbüchsen eine der Antworten auf Alles ist! Für das Tischchen wurde es auch die Nacht der Nächte, das Leere war seit diesem Abend immer mit Musik gefüllt


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