So könnten die Steinfiguren auf der Osterinsel entstanden sein.
Eines Tages trafen sich Klippen und Berge einer fernen Insel zu einer Krisensitzung.
„Wir sind die Schultern dieser Welt, aber niemand, niemand spricht darüber, jeder sieht uns als gegeben an!“, murrte ein Inselberg, dessen Rücken beinahe die Wolken erreichte. Der Satz war gesagt worden, hing zwischen den versammelten Klippen und Bergen im Raum, bewegte sich nicht weiter, blieb in der Zeit stehen. Nach Jahrzehnten kam die Entgegnung einer Felsennadel, die mitten in der Brandung des Meeres gegen den Himmel wuchs. „Ich stehe als Fels fest in der Brandung, breche Wellen, trotze den Herbststürmen, bin unendlich schön in meiner Form, doch die Welt sieht mich als „auch einfach da“, das macht mich manchmal traurog!“
„Traurog?“, antwortete eine junge Klippe, deren scharfe Kanten durch das Wasser schnitten, die Brandung teilte, das Wasser aufwirbelte und Trilliarden kleine Wassertropfen gebar und ans Land warf. Der größte Traum dieser Tropfen war es, noch im Flug vom Wind erfasst, über das Land getragen zu werden und so die Welt außerhalb des großen Meeres kennen zu lernen. „Traurog, das Wort gibt es so nicht!“ Stille, Meeresrauschen, Tag und Nachtgleiche, Sternenglitzern und Sonnenhitze, Jahre, Jahrzehnte vergingen.
„Übersetzung!“ Ein einzelner Fels, der seit Jahrhunderten als Teil einer Steinmauer Schafe daran hinderte die Welt auf der andern Seite zu erkunden, meldete sich zu Wort. „Jemand muss übersetzen, wer wir sind, warum wir sind, aber, aber … warum sind wir??“ In den folgenden Jahrzehnten kam nach und nach ein Austausch der Klippen und Berge dieser fernen Insel in Gang, die dieser schwierigen Frage nachgingen.
Ein Mensch, dessen Herz für die Insel, für die Berge schlug, legte jeden Tag sein Ohr auf den nackten Felsen, um von dem fernen Wispern etwas mitzubekommen…
Irgendwann begann er an einer Übersetzung zu arbeiten, baute Werkzeug, ließ sich am Rand eines der Inselberge nieder und trieb Hammer und Meisel in einen der Berge, nicht ohne vorher im Gebet mit dem Berg darüber Einvernehmen hergestellt zu haben. Es entstanden Figuren, Gesandte der Berge, deren Aussehen so sehr variierte, wie deren Erscheinungsbild in der Wirklichkeit: Kleine Figuren, große Figuren, Figuren mit breiten Schultern, Figuren ohne Arme, doch alle, alle waren aus Fels gehauen und bereit die Welt auf ihren Schultern zu tragen… Komme was da wolle….
Weitere Menschen kamen, halfen, mehr und mehr Figuren wurden aus dem Berg geschält und ans Meer gebracht. Denn wie sollte eine Übersetzung besser verstanden werden, als direkt vor unseren Augen?
Noch heute sind die Berge im Austausch darüber, wer sie denn seien. Doch zugleich wissen sie, dass es dem Menschenkünstler auf der fernen Insel sehr gut gelungen war, ihrem Wesen entsprechend Tribut zu zollen…
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